Ayurveda ist eine Kombination aus empirischer Naturlehre und Philosophie, die sich auf die für menschliche Gesundheit notwendigen physischen, mentalen, emotionalen und spirituellen Aspekte konzentriert, die wichtig für die Gesundheit bzw. Krankheit sind. Dadurch hat Ayurveda einen ganzheitlichen Anspruch, da der ganze Mensch mit einbezogen wird. In der Typologie spricht man von unterschiedlichen Temperamenten oder Energien, den so genannten Doshas:
Diese kommen nach ayurvedischer Vorstellung in jedem Organismus vor. Dabei dominieren meist ein oder zwei Doshas, seltener alle drei. In einem gesunden Organismus sollten sich diese "Energien" oder "Temperamente" in einem harmonischen Gleichgewicht befinden. Es ist für den Arzt wichtig zu wissen, welche Doshas bei einem Menschen vorherrschen, weil jeder Typ andere Medikamente und Behandlungen benötigt.
Das Ziel der ayurvedischen Heilkunst ist die Vermeidung von ernsthaften Erkrankungen, indem man versucht, den Auslöser der Erkrankung zu verstehen und ungesunde Angewohnheiten abstellt. Dazu gibt es eine Reihe von Behandlungen, die vor allem dem Körper dabei helfen sollen, "sich selbst zu helfen". Bekannt sind etwa die diversen ölmassagen und das Panchakarma, ein aus 5 Teilen bestehendes Entschlackungs- und Reinigungsprogramm ("Panch", ist Hindi für 5).
Das Alter des medizinischen Systems der Ayurveda ist unbekannt. Als Begründer des Ayurveda wird in einigen Schriften (wie dem Srimad Bhagavata Purana) die mythische Figur Dhanvantari angesehen.
Anzeichen auf ein medizinisches Wissen findet man schon in der Steinzeit. 2001 machte Professor Andrea Cucina, von der Universität von Missouri Columbia die Entdeckung, dass die alten Inder von Mehrgarh (im heutigen Pakistan) schon in 8000 bis 9000 v.Ch. zahnärztliche Kenntnisse hatten. Es wurden Zähne gefunden, in die kleine Löcher (mit etwa 2.5 mm Durchmesser) gebohrt waren, die wahrscheinlich mit Pflanzen oder anderen Substanzen aufgefüllt wurden.
Die Samhitas (Hymnen) des Rig Veda erwähnen die Verwendung von Heilkräutern. Innerhalb der mythologischen Erzählungen von Wunderheilungen durch die Asvins, ein Zwillingspaar von Göttern, die Blinde sehend und Lahme gehend machten (I.112.08, I.112.16), kann eine Stelle (I.116.15) als Hinweis auf die Verwendung von Beinprothesen ausgelegt werden. Von einigen Leuten wird I.34.06 als früher Hinweis auf das Konzept der sog. drei doshas verstanden. Der Atharva Veda enthält demgegenüber eine große Anzahl von Zauberformeln (Bhaishagykni) zur Bekämpfung von Krankheiten mit magischen Mitteln, entweder durch Beschwörung der Götter, von Amuletten oder bestimmter Heilpflanzen. Als Ursache der Krankheit wird dabei die Bestrafung durch einen Gott, der Angriff durch einen Dämon oder die Verzauberung durch einen Feind verstanden.
Bereits im 6. Jh. v. Ch. beschrieben die indischen ärzte die menschliche Anatomie (Sehnen, Nervengeflecht, Muskeln, etc) sehr genau und hatten ein gutes Verständnis der menschlichen Verdauung und des Blutkreislaufs. In Sri Lanka gab es in 427 v. Ch. die ersten Spitäler. Der buddhistische König Ashoka ließ im 3. Jh. v.Ch. im zweiten Felsenedikt schreiben, dass Spitäler für Menschen und für Tiere errichtet wurden, und dass hierfür Heilpflanzen importiert und angebaut wurden.
Im ältesten erhaltenen medizinischen Werk, der Caraka Samhita (siehe unten), werden Krankheiten vor allem auf die Sünden (doshas) des Menschen zurückgeführt; der Begriff dosha erfährt später bei den Ayurveda-Anhängern eine Umdeutung.
Plato hatte eine ähnliche Theorie wie die ayurvedische Theorie der Tridosha, in Platos System beruht die Gesundheit auf einem harmonischen Gleichgewicht zwischen den drei Elementen Pneuma (Wind oder Vata), Chole ("Galle", Feuer oder Pitta) und Phlegma Wasser oder Kapha). Wie der französische Indologe Jean Filliozat schrieb, ist diese Theorie möglicherweise vedischen Ursprungs, da diese Doshas, und besonders die Bezieung zwischen Galle und Feuer schon in der vedischen Literatur bekannt waren. Außerdem, so sagt er, gibt es mehrere direkte Referenzen in der hippokratischen Sammlung, die darauf hindeuten, dass einige indische Arzneien und medizinische Rezepte in Griechenland übernommen wurden.
Traditionelle ayurvedische Literatur:
Die Caraka Samhita und die Sushruta Samhita bilden zusammen mit der Vagbhata Samhita das Kernstück der traditionellen Literatur und sind Standardwerke in der Ausbildung der ayurvedischen ärzte (vaidyas). Es sind Sammelwerke (Samhita), die Materialien aus unterschiedlichen Epochen beinhalten. Diese Werke werden auch brihat trayi genannt, was die großen Drei heißt. Sie sind benannt nach Namen von drei der berühmtesten ärzte der Inder und werden der klassischen Periode zugeordnet, die ca. von 500 v.Chr. bis 1000 n.Chr. dauerte. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß es neben den Großen Drei auch noch die Kleinen Drei gibt, welche allerdings in einer viel späteren Zeit geschrieben worden sind (12.-16. Jahrhundert n. Chr.). Dies sind: Madhava Nidan, Sharangdhara Samhita und Bhava Prakasha.
Dieses Buch stammt vermutlich aus 350 n.Ch. und geht auf den Mediziner Susruta zurück, der wahrscheinlich im frühen 6.Jh. v.Ch. lebte. Susruta beschrieb viele Operationen und 121 Operationsinstrumente. Unter den Operationen, die er beschrieben hat, sind Star, Bruch, Steinschnitt, Kaiserschnitt etc. Instrumente die er beschrieb sind u.a. Sonden, Zangen, Lanzetten, und Katheter. Er übertrug auch Haut von anderen Körperstellen auf ein beschädigtes Ohr und entwickelte die (Organ)">Nasenplastik.
Susruta Samhita wurde vor dem Ende des 8. Jh. ins Arabische übersetzt. Ins Lateinische wurde es von Hassler und ins Deutsche von Ullers übersetzt.
Der Autor dieses Buches war Caraka, der nach Angaben aus einer chinesischen übersetzung der Tripitaka wahrscheinlich im 2. Jh. n.Ch. lebte. Es soll auf einem noch älteren Buch, dem Agnivesha Samhita mit 46,000 Versen, basieren, das aber nicht mehr existiert.
Die Werke Carakas und Susrutas wurden noch vor dem 8. Jh. ins Arabische übersetzt. Der Name Charakas tritt auch in vielen lateinischen übersetzungen von arabischen Medizinbüchern auf.
Weitere wichtige Werke sind:
Dieses Buch soll im 15. Jh. n.Ch. geschrieben worden sein. Es enthält viele pharmazeutische Rezepte und behandelt auch die Diagnose mittels Pulsmessung.
Dieses Buch stammt aus dem 16. Jh. n.Ch. und enthält 10'268 Verse.
Dieses Buch soll aus dem 7. Jh. n.Ch. stammen.
Unter Umständen problematisch stellt sich teilweise die deutsche Ayurveda-Szene dar, welche weitgehend von einer religiösen Gruppierung dominiert wird. Es empfiehlt sich also bei Interesse den Anbieter zu überprüfen, es sei denn, man hat keine Berührungsängste vor Inhalten, die mit Ayurveda weniger zu tun haben.
Schwermetalle, besonders Blei, verunreinigen nicht selten Medikamente traditioneller indischer Medizinrichtungen, über Vergiftungen durch ayurvedische Medikamente gibt es medizinische Berichte. Offenbar kontrollieren einige Hersteller die unter Verwendung von Pflanzenaschen gewonnenen Präparate nicht ausreichend auf Schwermetallbelastungen Lit.: Ernst, 2002). In einem dargestellten Fall wurden sieben Monate lang Weihrauchpillen gegen chronische Polyarthritis eingenommen und führten zum Bild einer schweren Bleiintoxikation mit Verdauungsstörungen, hämolytischer Anämie und Lähmungen bei einem Bleigehalt des Blutes von 852 mg/l, der obere Grenzwert ist 100 mg/l (Lit.: Schilling, 2004).
In der Schweiz sind ayurvedische Medikamente nur über wenige Apotheken (in Bern und Zürich) erhältlich und unterliegen dort strengsten Kontrollen.
In den meisten Ländern der Welt ist der Begriff Ayurveda oder eine Berufsbezeichnung in Verbindung mit dem Namen Ayurveda ungeschützt, sodass jeder Mensch ohne Auflagen entsprechende Anwendungen anbieten darf.
In Indien müssen Ayurveda-ärzte jedoch, ebenso wie Schulmediziner, sechs Jahre lang studiert haben, um dann ein Staatsexamen in ayurvedischer Heilkunst abzulegen. Es ist ein eigener, vollständiger Studiengang und wird an rund 40 indischen Universitäten gelehrt. Nach weiteren drei Jahren Praxis darf man sich Doctor of Ayurveda nennen. Jährlich erhalten in Indien rund 4.000 Mediziner ihre Ayurveda-Neuzulassung.
Auch in Deutschland gibt es inzwischen einige seriöse Ayurveda-Institute, die eine gute Ayurveda-Ausbildung nach indischen Standards anbieten. Ein besonderes Qualitätsmerkmal besteht darin, dass das vermittelte Wissen auf den alten Texten basiert und auf westliche Lebensbedingungen übertragen wird.
Seit Ayurveda im Zuge der Wellness-Welle zu einem Modetrend geworden ist, gibt es vor allem im Westen viele nur unzulänglich ausgebildete Personen, die im Ayurveda keine Berufung sehen, sondern lediglich eine Möglichkeit, schnell Geld zu verdienen. So ist es nicht ungewöhnlich, dass manche Leute einen Wochenend-Crash-Kurs belegen, um sich anschließend Ayurveda-Therapeut bzw. -Therapeutin zu nennen. Sie bieten dann fast ausschließlich ayurvedische Wellness-Massagen an und ihr sich meist auf einige wenige Behandlungsformen beschränktes Repertoire mag gegebenenfalls ein erstes Indiz für eine relativ begrenzte Ausbildung sein.